Zum Rahmen:
Am 22.04.24 fand ein Treffen zwischen mir, meinem Kollegen Malte Lier sowie dem Vizepräsidenten des Verbandes Wohneigentum, Bernd Heuer, in „Achim’s Beckshaus“ in der Bremer Innenstadt statt. In ungefähr 1,5 Stunden diskutierten wir dabei die verschiedenen Betrachtungsweisen der aktuellen wohnungspolitischen Entwicklungen sowie der unterschiedlichen Standpunkte diesbezüglich. Die Rechnungen beglich jeder Teilnehmer selbstredend für sich. Im Laufe des Gesprächs wurde mir eine Pressemappe mit den verschiedenen Leitlinien und Haltungen des Verbandes überreicht.
Der Verband Wohneigentum vertritt ausschließlich die Positionen Wohnraum-besitzender Menschen, weshalb im im Gesprächsverlauf Themen wie die aktuelle Mietenpolitik oder der politische Umgang mit der Spekulation mit Wohnraum keine große Rolle spielten, die jedoch einen wesentlichen Teil der linken europäischen Wohnungspolitik ausmachen. Auch das Thema Plattformtourismus am Beispiel von „Airbnb“ als Antreiber der Wohnungs- und Gebäudepreise spielte lediglich eine unwesentliche Rolle.
Zum Austausch:
Der Verband Wohneigentum streitet nach eigenen Angaben für die Eigentümer*innen von Wohnraum, die eben jenen selbst nutzen. Damit sind sowohl ganze Eigenheime als auch Wohnungen gemeint. In diesem Kontext stellte der Verband seine politischen Positionen dar, die im Grunde wie folgt verstanden werden können:
Eigenverantwortlichkeit statt genereller übermäßiger Regulierung. Der Verband fordert Anreize durch Förderprogramme, bspw. wenn es um energetische Sanierungen bzw. klimapolitische Themen im Allgemeinen geht. Stichwort „Fordern und Fördern“.
—> In diesem Punkt verstehe ich die Positionen des Verbandes, auch wenn ich sie in dieser Form nicht teile. Eine generelle Verpflichtung, bspw. wenn es um die energetische Sanierung von Eigenheimen geht, ignoriert die ökonomischen und gesellschaftlichen Unterschiede von Hausbesitzer*innen - so ist nicht jede*r in der Position, teure Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmte Standards zu erreichen. Nichts desto trotz kann man nicht ausschließlich auf einen puren Ansatz von Freiwilligkeit setzen, wenn es um die individuelle Verantwortung von Hausbesitzer*innen gegenüber der Umwelt und des Klimas geht.
Auf der einen Seite braucht es Fördermaßnahmen, welche umweltfreundliche Nach- und Ausbesserungen finanziell unterstützen. Diese sollten aber nicht unabhängig des sozioökonomischen Hintergrundes ausgezahlt werden. Viel mehr geht es darum, diejenigen in ihren Sanierungsvorhaben zu unterstützen, die sich nicht in der finanziellen Lage befinden, das ohne entsprechende Fördermaßnahmen zu gestalten.
Dabei geht es aber auch Verhältnismäßigkeit: können wir uns riesige Haus-Neubauten als Gesellschaft noch leisten, wenn wir auf der anderen Seite über die Rückkehr zur „Schwammstadt“ und über die Verdichtung bzw. Aufstockung von Wohnraum in vielen Metropolen sprechen?
Hier gilt es, dass wir als Linke einen Weg finden und diesen klar formulieren, wie wir einerseits notwendige Maßnahmen bspw. in der energetischen Sanierungsthematik umsetzen, ohne harte, nicht differenzierende Verbote und Regularien zu ersinnen. Der libertäre Ansatz der Freiwilligkeit des Einzelnen kann jedoch ebenso wenig zur politischen Handlungsmaxime erklärt werden.
Des Weiteren verpflichtet sich der Verband Wohneigentum, das gesellschaftlich-soziale Miteinander zu fördern. In diesem Punkt stimme ich dem Verband zu: Nachbarschaften funktionieren besser, wenn sie durchmischt und divers sind. So ist es natürlich obligatorisch, der Rentnerin von Gegenüber Unterstützung anzubieten oder Straßenfeste etc. durchzuführen. Explodierende Preise und Gentrifizierung tragen jedoch dazu bei, dass ganze Viertelstrukturen zusammenbrechen und der Trend des anonymen Wohnens voranschreitet. Dass das soziale Miteinander nur durch Engagement und Commitment gegenüber seines Wohnortes besser werden kann, steht außer Frage. Gleichzeitig gilt es dabei aber zu bedenken, dass ein solches Engagement von ökonomischen Verhältnissen dominiert wird. So kann eine alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs nicht ohne Weiteres in der eigenen Nachbarschaft partizipieren.
Eine Alternative zum riesigen Eigenheim stellen alternative Wohnkonzepte dar. Mehrgenerationen-Wohnprojekte bspw. schaffen einerseits soziale Berührungspunkte über gesellschaftliche Strukturen hinweg und funktionieren genossenschaftlich, was sie tendenziell erschwinglicher gestaltet. Statt über reine Einfamilienhaus-Siedlungen müssen wir über neue Formen des Miteinander-Lebens und Wohnens sprechen. Die Frage, wie man mit riesigen Wohnflächen umgeht, die lediglich von zwei Personen genutzt werden, beantwortet der Verband momentan mittels einer Mitgliederbefragung. Als Linke plädieren wir für eine Abkehr von dem Gedanken, dass Wohnen in reiner Warenform, also als Grund und Boden, betrachtet wird.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Haltung des Verbandes Wohneigentum in bestimmten inhaltlichen Punkten unserer Vorstellung von Wohnungspolitik nahe kommt. Der Fokus linker Wohnpolitik liegt jedoch nicht in den Kernbereichen des Verbandes. Es lässt sich aber festhalten: Als Linke kämpfen wir dafür, die Grundversorgung aller zu ermöglichen, ohne direkt andere Formen, die darüber hinausgehen, pauschal abzulehnen. (Frei zitiert nach: Stahl, Jürgen: Wohneigentum und die Linke, erschienen in UTOPIE kreativ, März 2002)
Die Lösung der Wohnungskrise liegt jedoch nicht im Bau und in der Förderung von riesigen Eigenheimen im ländlichen Raum und in den sog. Speckgürteln der Metropolen, sondern in der gezielten Überwindung der freien Marktmechanismen, welche die Haushalts-, Lebens- und Wohnkosten ungehemmt explodieren lassen. Mehr dazu findet sich im Kapitel „Für ein starkes europäisches Gemeinwesen:
Umverteilen von privat zu öffentlich“ im Europawahlprogramm der LINKEN (—>https://www.die-linke.de/fileadmin/user_upload/Europawahlprogramm_neu.pdf)
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